Symptome

Skin Picking (Dermatillomanie)

Skin Picking — auch als Dermatillomanie bezeichnet — wurde ebenso wie die Trichotillomanie als ein eigenständiges Krankheitsbild unter den körperbezogenen, sich wiederholenden Impulskontrollstörungen („body-focused repetitive behaviors”, BFRBs) eingeordnet (APA, 2013). Der Begriff „Dermatillomanie“ setzt sich aus den griechischen Wörtern „derma“ für Haut, „tillein“ für zupfen/ziehen und „mania“ für Besessenheit zusammen.

Dermatillomanie beinhaltet absichtliches oder auch automatisiertes wiederholtes Kratzen, Zupfen und/oder Quetschen von Hautunreinheiten (aber auch von gesunder Haut), Schorf oder Insektenstichen, was zu spürbaren Verletzungen führen kann (Wilhelm et al., 1999).

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Diagnose

Dermatillomanie wird im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-5; APA, 2013), ebenso wie die Trichotillomanie, als eigenständiges Diagnosebild geführt.

Die DSM-5-Diagnosekriterien für das Vorliegen einer Dermatillomanie beinhalten folgende Punkte:

  • Wiederkehrendes Rupfen der Haut, das zu Hautläsionen führt
  • Wiederholte Versuche, das Verhalten zu beenden
  • Klinisch signifikanter Leidensdruck oder Beeinträchtigungen durch die Symptome
  • Weder durch eine Substanz noch einen medizinischen oder dermatologischen Zustand verursacht
  • Nicht durch eine andere psychiatrische Störung erklärbar

Erkrankungsalter

Die Erkrankung kann zu jeder Zeit auftreten, entwickelt sich jedoch besonders häufig in der späten Kindheit (ab dem 10. Lebensjahr) bis zur frühen Jugend (u.a. gilt Akne als ein Auslöser; Ekore & Ekore, 2021; Eskeland et al., 2021; Flessner & Woods, 2006; Ricketts et al., 2018; Wilhelm et al., 1999). Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 13 ½ Jahren (Moritz et al., 2023b).

Neben den seit der Jugend Betroffenen gibt es Fälle, in denen das Störungsbild bereits vor dem 10. Lebensjahr beginnt und es gibt eine Gruppe, bei denen Skin Picking zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr auftritt (Fricke, 2013; Grant et al., 2012; Ricketts et al., 2018).

Die Störung tritt häufig in Übergangsphasen auf, das heißt in der Pubertät oder nach lebensverändernden Situationen, z.B. einer Trennung oder dem Tod einer nahestehenden Person (Wilhelm et al., 1999).

Krankheitshäufigkeit

Allgemeinbevölkerung

Ausgehend von Befunden leiden 2 bis 5,4 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens an Dermatillomanie (Eskeland et al., 2021; Grant & Chamberlain, 2020; Hayes et al., 2009; Keuthen et al., 2000; Machado et al., 2018). Die Dunkelziffer dürfte wie bei den anderen körperbezogenen Impulskontrollstörungen jedoch deutlich höher liegen. Es gibt neuere Hinweise darauf, dass bis zu 8,7 Prozent mindestens einmal von Dermatillomanie mit sichtbaren Folgen betroffen sind (Moritz et al., 2023a).

Kindheit/Jugendalter

Etwa 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von 4 bis 17 Jahren sind von Skin Picking betroffen; 8,3 Prozent berichten von erheblichen Beeinträchtigungen durch diese Verhaltensweisen (Selles et al., 2015).

Erwachsenenalter

Insgesamt sind ca. 2,1 Prozent der Bevölkerung im Alter von 18 bis 69 Jahren von Dermatillomanie betroffen (Grant & Chamberlain, 2020). Bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 44 Jahren sind es in etwa 5,7 Prozent (Houghton et al., 2018).

Geschlechterunterschiede

Es wird angenommen, dass mehr Frauen als Männer von Dermatillomanie betroffen sind (APA, 2013; Grant & Chamberlain, 2020; Greenberg et al., 2018; Hayes et al., 2009; Houghton et al., 2018; Odlaug et al., 2013; Wilhelm et al., 1999). Möglicherweise wird der Anteil männlicher Betroffener jedoch unterschätzt, da diese seltener medizinische und psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.

Erscheinungsformen

Dass man ab und zu an manchen Stellen mit unreiner Haut zupft, knibbelt oder kratzt, ist nicht ungewöhnlich. Der Übergang zum pathologischen Skin Picking ist fließend und der Schweregrad wird durch das Ausmaß, den unwiderstehlichen Drang und die damit verbundenen Schäden und Beeinträchtigungen im normalen Alltag bestimmt.

Personen, die an Skin Picking leiden, beschäftigen sich deutlich ausgeprägter mit ihrer Haut: Sie ziehen, quetschen, drücken, reiben und kratzen vermehrt über einen längeren Zeitraum an verschiedenen Körperstellen oder ziehen kleine Hautstücke ab — wobei sie sowohl gesunde als auch zuvor geschädigte Haut manipulieren. Dieses Verhalten kann automatisiert (unbewusstes Kratzen) oder ritualisiert-absichtlich (bewusst, z.B. nach der Betrachtung im Spiegel) vorkommen.

Die Betroffenen benutzen ihre Fingernägel und Zähne oder Instrumente (z.B. Pinzetten), um Körperflächen zu manipulieren, am häufigsten im Gesicht, am Rücken, im Nacken oder auf der Kopfhaut.

Zu den häufig berichteten Erfahrungen, die zum Rupfen führen, gehören folgende: ein Drang oder eine körperliche Anspannung vor dem Rupfen, unangenehme Emotionen, Überzeugungen darüber, wie die Haut aussehen oder sich anfühlen sollte oder ein (vermeintlicher) Makel des eigenen Aussehens.

Folgen

Die Gefühle, die mit Skin Picking einhergehen, sind komplex und teils widersprüchlich: Sie umfassen ein Gefühl von Erleichterung oder Freude, daneben Scham sowie emotionale Folgeerscheinungen wie Angst oder Depression. Auch sozialer Rückzug und verringerte Produktivität durch die Überbeschäftigung mit dem eigenen Körper sind häufig.

Langfristig können viele kleinere, aber auch größere Narben sowie Infektionen und Hautverletzungen entstehen. Viele Betroffene bearbeiten ihre Haut zumeist dann, wenn sie alleine sind. Die Angst vor negativen Reaktionen der Mitmenschen ist häufig sehr stark ausgeprägt; oft wird Intimität mit Nacktheit vermieden.

Literatur

American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.). https://doi.org/10.1176/appi.books.9780890425596

Ekore, R. I. & Ekore, J. O. (2021). Excoriation (skin-picking) disorder among adolescents and young adults with acne-induced postinflammatory hyperpigmentation and scars. International Journal of Dermatology, 60(12), 1488–1493. https://doi.org/10.1111/ijd.15587

Eskeland, S. O., Moen, E., Meland, K. J., Andersen, A. & Hummelen, B. (2021). Hudplukkingslidelse. [Skin picking disorder]. Tidsskrift for den Norske laegeforening: Tidsskrift for Praktisk Medicin, ny Raekke, 141(18), 10.4045/tidsskr.21.0128. https://doi.org/10.4045/tidsskr.21.0128

Flessner, C. A. & Woods, D. W. (2006). Phenomenological characteristics, social problems, and the economic impact associated with chronic skin picking. Behavior Modification30(6), 944–963. https://doi.org/10.1177/0145445506294083

Fricke, S. (2013). Dermatillomanie. Zeitschrift für Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie, 61(3), 175–179. https://doi.org/10.1024/1661-4747/a000156

Grant, J. E. & Chamberlain, S. R. (2020). Prevalence of skin picking (excoriation) disorder. Journal of Psychiatric Research130, 57–60. https://doi.org/10.1016/j.jpsychires.2020.06.033

Grant, J. E., Odlaug, B. L., Chamberlain, S. R., Keuthen, N. J., Lochner, C. & Stein, D. J. (2012). Skin picking disorder. American Journal of Psychiatry,169(11), 1143–1149. https://doi.org/10.1176/appi.ajp.2012.12040508

Greenberg, E., Tung, E. S., Gauvin, C., Osiecki, L., Yang, K. G., Curley, E., Essa, A., Illmann, C., Sandor, P., Dion, Y., Lyon G. J., King, R. A., Darrow, S., Hirschtritt, M. E., Budman, C. L., Grados, M., Pauls, D. L., Keuthen, N. J., Mathews, C. A., Scharf, J. M. & The Tourette Association of America International Consortium for Genetics (2018). Prevalence and predictors of hair pulling disorder and excoriation disorder in Tourette syndrome. European Child and Adolescent Psychiatry, 27(5), 569–579. https://doi.org/10.1007/s00787-017-1074-z

Hayes, S. L., Storch, E. A. & Berlanga, L. (2009). Skin picking behaviors: An examination of the prevalence and severity in a community sample. Journal of Anxiety Disorders23(3), 314–319. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2009.01.008

Keuthen, N. J., Deckersbach, T., Wilhelm, S., Hale, E., Fraim, C., Baer, L., O’Sullivan, R. L. & Jenike, M. A. (2000). Repetitive skin-picking in a student population and comparison with a sample of self-injurious skin-pickers. Psychosomatics, 41(3), 210–215. https://doi.org/10.1176/appi.psy.41.3.210

Machado, M. O., Köhler, C. A., Stubbs, B., Nunes-Neto, P. R., Koyanagi, A., Quevedo, J., Soares, J. C., Hyphantis, T. N., Marazziti, D., Maes, M., Stein, D. J. & Carvalho, A. F. (2018). Skin picking disorder: prevalence, correlates, and associations with quality of life in a large sample. CNS Spectrums23(5), 311–320. http://doi.org/10.1017/S1092852918000871 

Moritz, S., Scheunemann, J., Schmotz, S., Hoyer, L., Grudzień, D. & Aleksandrowicz, A. (2023a). Prevalence of body-focused repetitive behaviors and disorders in a representative population sample.

Moritz, S., Penney, D., Mißmann, F., Snorrason, I. & Schmotz S. (2023b) Same same but different? Phenomenological differences among different types of body-focused repetitive behaviors. Annals of Clinical Psychiatry

Odlaug, B. L., Lust, K., Schreiber, L. R., Christenson, G., Derbyshire, K. & Grant, J. E. (2013). Skin picking disorder in university students: health correlates and gender differences. General Hospital Psychiatry, 35(2), 168–173. https://doi.org/10.1016/j.genhosppsych.2012.08.006

Ricketts, E. J., Snorrason, Í., Kircanski, K., Alexander, J. R., Thamrin, H., Flessner, C. A., Franklin, M. E., Piacentini, J. & Woods, D. W. (2018). A latent profile analysis of age of onset in pathological skin picking. Comprehensive Psychiatry87, 46-52. https://doi.org/10.1016/j.comppsych.2018.08.011

Selles, R. R., Nelson, R., Zepeda, R., Dane, B. F., Wu, M. S., Novoa, J. C., Guttfreund, D. & Storch, E. A. (2015). Body focused repetitive behaviors among Salvadorian youth: Incidence and clinical correlates. Journal of Obsessive-Compulsive and Related Disorders, 5, 49–54. https://doi.org/10.1016/j.jocrd.2015.01.008

Wilhelm, S., Keuthen, N. J., Deckersbach, T., Engelhard, I. M., Forker, A. E., Baer, L., O’Sullivan, R. L. & Jenike, M. A. (1999). Self-injurious skin picking: clinical characteristics and comorbidity. The Journal of Clinical Psychiatry60(7), 454–459. https://doi.org/10.4088/jcp.v60n0707