Symptome

Lippen-Wangen-Beißen (Cavitadaxia)

Lippen-Wangen-Beißen — auch als Cavitadaxia (Moritz et al., 2020) bezeichnet — zählt wie die vorherigen Störungen zu den körperbezogenen, sich wiederholenden Impulskontrollstörungen („body-focused repetitive behaviors”, BFRBs; APA, 2013). Dieses Verhalten beinhaltet das wiederholte Beißen, Kauen oder Knabbern an Mundschleimhaut, Lippen und/oder Zunge. Übersetzt bedeutet Cavitadaxia so viel wie „Mundhöhle – beißen”.

Das Wangenbeißen ist typischerweise im Bereich der mittleren, inneren Wange sichtbar. Viele der Betroffenen realisieren gar nicht, dass sie sich auf Lippe oder Wange beißen. Beim Lippen-Wangen-Beißen haben sich spezielle Schienen bewährt (siehe Hilfreiches) sowie die Entkopplungsmethode (siehe Selbsthilfetechniken und Videos; Studie von Moritz et al., 2020).

Erkrankungsalter

Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 15 Jahren (Moritz et al., 2023b).

Krankheitshäufigkeit

Etwa ein Drittel der Bevölkerung beißt gelegentlich an den Lippen, den Wangen und der Mundschleimhaut; Kriterien für eine Störung erfüllen ungefähr 3,2 Prozent (Houghton et al., 2018). Betrachtet man Fälle mit starken Beeinträchtigungen in der Form von sichtbaren Schäden, sind fast 8 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens betroffen (Moritz et al., 2023a).

Kindheit

Die Häufigkeit des Auftretens bei Kindern liegt im Alter von 2 bis 17 Jahren bei etwa 1,9 Prozent (Shulman, 2005).

Jugendalter und Erwachsenenalter

Ungefähr 1 bis 7 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind vom Lippen-Wangen-Beißen betroffen (Sarkhel et al., 2011; Shetty & Munshi, 1998). Lippen-Wangen-Beißen tritt bei etwa 3,2 bis 5,7 Prozent der Erwachsenen im Alter von 18 Jahren oder älter auf (Houghton et al., 2018; Teng et al., 2002). Dabei kommt es bei 7,9 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal zu sichtbaren Folgen (Moritz et al., 2023a). Wird das Verhalten ohne sichtbare Folgen betrachtet, berichten sogar 75 Prozent dieses im Laufe ihres Lebens schon einmal ausgeführt zu haben.

Erscheinungsformen

Lippenbeißen

Das wiederholte Beißen der Lippe kann zu verschiedenen Komplikationen führen: Rötungen, schmerzhafte Wunden und Risse in der Mundschleimhaut oder an der Lippe. Das Beißen an den Lippen kann zu Verletzungen führen und auf Dauer auch der dünnen, empfindlichen Haut schaden, sodass die Lippen spröde werden.

Wangenbeißen

Zu den Folgen des Wangenbeißens gehören Geschwüre, Wunden und Infektionen des Mundgewebes sowie die Entwicklung einer Keratose (Verhornung der obersten Hautschicht). Bei manchen Menschen kann sich die Wangenschleimhaut nach wiederholtem Beißen unregelmäßig anfühlen, was wiederum den Drang verstärkt, weiter zu beißen, um eine glatte Oberfläche zu schaffen.

Folgen

Schuld- und Schamgefühle sowie Gefühle von Hoffnungs- und Ausweglosigkeit („Mundhölle”) stellen sich häufig begleitend ein.

Literatur

American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.). https://doi.org/10.1176/appi.books.9780890425596

Houghton, D. C., Alexander, J. R., Bauer, C. C. & Woods, D. W. (2018). Body-focused repetitive behaviors: More prevalent than once thought? Psychiatry Research270, 389–393. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2018.10.002

Moritz, S., Müller, K. & Schmotz, S. (2020). Escaping the mouth-trap: Recovery from long-term pathological lip/cheek biting (morsicatio buccarum, cavitadaxia) using decoupling. Journal of Obsessive-Compulsive and Related Disorders, 25, 100530. https://doi.org/10.1016/j.jocrd.2020.100530

Moritz, S., Scheunemann, J., Schmotz, S., Hoyer, L., Grudzień, D. & Aleksandrowicz, A. (2023a). Prevalence of body-focused repetitive behaviors and disorders in a representative population sample.

Moritz, S., Penney, D., Mißmann, F., Snorrason, I. & Schmotz S. (2023b) Same same but different? Phenomenological differences among different types of body-focused repetitive behaviors. Annals of Clinical Psychiatry

Sarkhel, S., Praharaj, S. K. & Akhtar, S. (2011). Cheek-biting disorder: another stereotypic movement disorder?. Journal of Anxiety Disorders, 25(8), 1085–1086. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2011.07.006

Shetty, S. R. & Munshi, A. K. (1998). Oral habits in children – a prevalence study. Journal of the Indian Society of Pedodontics and Preventive Dentistry, 16(2), 61–66.

Shulman, J. D. (2005). Prevalence of oral mucosal lesions in children and youths in the USA. International Journal of Paediatric Dentistry, 15(2), 89–97. https://doi.org/10.1111/j.1365-263x.2005.00632.x

Teng, E. J., Woods, D. W., Twohig, M. P. & Marcks, B. A. (2002). Body-focused repetitive behavior problems: Prevalence in a nonreferred population and differences in perceived somatic activity. Behavior Modification26(3), 340–360. https://doi.org/10.1177/0145445502026003003